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GEDÄCHTNISRAUM / BEWEGUNGSBLINDHEIT
Gerda Lampalzer / Manfred Oppermann
15.10.2025 Vernissage 19:00 - 22:00
Geöffnet jeweils von 17:00 bis 19:00 am
16./17./20./21./22./27./28./29. Oktober 2025
Gerda Lampalzer
GEDÄCHTISRAUM
Multimediale Installation, 2025
Den Ausgangspunkt ihrer Reflexionen zu drei verschiedenen medialen Aggregatzuständen
bildet Gerda Lampalzers Videoarbeit DER WUNDERBLOCK (ICH), (IT/A 1994, Intervallschaltung, loop 3:27 min). Diese bezieht sich auf einen Aufsatz Sigmund Freuds zur Analogie zwischen der Funktionsweise des Wunderblocks (eine wiederbeschreibbare Wachstafel) und des menschlichen Wahrnehmungsapparates. In einer für die Kamera inszenierten Performance beschreibt die Künstlerin an verschiedenen Schauplätzen eine Zaubertafel (die Nachfolge des Wunderblocks) mit einem kaum lesbaren Wort, hält dieses in die Kamera und löscht es wieder, indem sie das Deckblatt der Tafel herauszieht.
Die Funktion der Wachstafel als Palimpsest und des Mediums Video als „elektronisches Gedächtnis“ legen eine Spur zum persönlichsten Teil ihrer Ausstellung, der textil/medialen Wand-Arbeit ICH FÜHLE MICH WIE AUS GLAS (zusammengeknüpfte Blusen, Mini-LED-Lichtzeilen, A 2025). Diese widmet Gerda Lampalzer ihrer engen Jugendfreundin Martina R., die im Jahr 2021 nach schwerer Krankheit verstorben ist. Zu einem schlampigen Patchwork zusammengeknüpfte Blusen als verbliebenes Außen der Freundin tragen in Form von animierten elektronischen LED-Texten eine Sammlung von Redensarten zu Gefühls- und Zustandsempfindungen. Sie erinnern damit an die enge Verbindung zwischen körperlich-psychischen Vorgängen und ihrem bildsprachlichen Ausdruck.
Als paradigmatisch für die medialer Gegenwart führt die Installation IM HIER UND JETZT (Zimmerbrunnen, Überwachungskamera, Mediapad, A 2025) zu einer Außenstelle der Ausstellung.
Ein beleuchteter Zimmerbrunnen, der bewusst Assoziationen zu Meditation und esoterischen Heilmethoden nahelegt, wird in ein von innen nicht einsehbares Außenfenster der Galerie platziert. Eine Referenz an Nam June Paiks „TV-Buddha“ ist kein Zufall. Sein Live-Bild wird als Direktübertragung in den Ausstellungsraum zurückgeführt. Eventuelle Betrachter*innen werden mitbeobachtet. Das Medium hat seinen Weg vom Wahrnehmen und Erinnern zur endlosen Gegenwärtigkeit zurückgelegt und verharrt im Zustand der Endlosschleife.
Manfred Oppermann
BEWEGUNGSBLINDHEIT
6-Kanal Medieninstallation, 2025
Ich erinnere mich an eine Verwandte, die mir Kaffee einschenkt. Obwohl sie durch ein Geräusch abgelenkt wird, läuft die Tasse nicht über. Durch die Adhäsion der Flüssigkeit bleibt die Kaffeeoberfläche zitternd über dem Tassenrand stehen. Ich muss mich vorbeugen, um abzutrinken.
Als Akinetopsie oder Motion Blindness wird eine Beeinträchtigung bezeichnet, bei der ein Objekt in Bewegung nicht wahrgenommen werden kann, es scheint in zeitlichen Abständen eingefroren. In einer ersten diesbezüglichen Veröffentlichung von 1983 beschreibt Prof. Josef Zihl und sein Team das Erleben einer Patientin als eine Abfolge von Schnappschüssen. So sieht diese zum Beispiel beim Einschenken von Kaffee eine Tasse halb gefüllt, im nächsten Eindruck ist der Kaffee bereits übergeflossen. Was ein alltägliches Missgeschick sein könnte, wird hier zur bedrohlichen Gefahr.
Die Medieninstallation Bewegungsblindheit ist sowohl von meiner Erinnerung, als auch von ihrer Verwandtschaft zu einer pathologischen Ausformung inspiriert. Motion Blindness zwischen Einzelbildern als Grundlage des filmischen Sehens.
Zu sehen sind drei LCD-Displays, auf denen im loop Wasser, Bier und Kaffee aus ihren Gefäßen auf einen Tisch überlaufen. In der stetigen Wiederholung kommt die Handlung zum Stillstand, das Überlaufen wird endlos. Weiters drei Röhrenmonitore mit weißem Rauschen, vor denen je eine transparente Scheibe rotiert. Auf den Scheiben sind regelmäßig angeordnete Zeichnungen von einer Tasse, einem Wasserglas und einem Bierglas zu sehen. Durch den Stroboskopeffekt des weißen Rauschens scheinen die rotierenden Motive fast bewegungslos, sie schwanken durch die Unregelmäßigkeit der Drehung nur leicht auf und ab. Die zufälligen, nicht wiederholbaren, zitternden Linien werden zur Animation eines scheinbaren Stillstands.